95 Thesen

© Fabian Gasperl

 

Am 22.6.2017 wurden beim Sommerfest der IG Architektur, das dieses Jahr unter dem Motto „Reformation der Planungskultur“ stand, von den BesucherInnen (fast) 95 Thesen zur Planungskultur und ihrer möglichen Reform gesammelt.

 

 

Planungskultur braucht Transparenz.

 

„Wird schon wieder werden“

 

Planungskultur ist auch eine Frage der Kommunikationskultur

 

Die neue Planungkultur ist partizipativ und kooperativ, pluralistisch und kommunikativ, philantropisch und kompetent.

 

Die Bestellerinnen überlegen sich eingehend, was sie inhaltlich wollen.

 

Planen bedeutet im Voraus nachzudenken.

 

Der Ort bestimmt.

 

Jetzt: Viele fühlen sich nicht zuständig. Es fehlt an Ehrgeiz. Neue Planungskultur benötigt Respekt, Kooperation, maßvolles Agieren, Haltung, Zuversicht, Mut zum Risiko, Interesse an Qualität, Hingabe. Und Übernahme von Verantwortung.

 

Die Planungsgruppe ist im Bestfall mehr als die Summe der Beiträge der Einzelpersonen.

 

In These 84 fragte Martin Luther: „Warum kann ein gottloser Mensch gegen Geld Sünden vergeben?“ Führende Ämter in Planungspolitik, Planungsverwaltung und Planungswissenschaft sollen Menschen besetzen, die an die Wirkungskraft der Stadtplanung glauben, und nicht jenen, die sie in Abrede stellen!

 

Architektur braucht fortschrittliche Rahmenbedingungen, damit sie Rahmenbedingung für den Fortschritt sein kann.

 

Planungskultur ist nicht nur eine gesellschaftliche bzw. politische Verantwortung. Sie ist vor allem UNSERE Verantwortung!

 

Architektur ist nicht alles. Cool down!

 

Wir plädieren für ein eigenes Studium Stadtplanung in Österreich.

 

Nehmet Euch Zeit. Wenn Ihr sie nicht habt, so nehmet sie Euch. Wenn Ihr das nicht nicht könnt, so lasset die Planung, wir werden sie nicht missen.

 

Gehet daran und planet. Planet nur, wenn euer wahrer Wunsch es ist. Scheuet nicht den Konflikt, denn er wird euch Segen bringen. Und habet Geduld.

 

Planungskultur ist der Weg zur Baukultur

 

Suchet verschiedene Wege. Ihr werdet den richtigen finden, auch wenn er ein langer ist. Haltet inne und orientieret euch neu. Suchet das Gespräch, fraget die Kundigen, wenn der Weg Euch verschlossen erscheint.

 

Jetzt: zögerliches Verhalten sämtlicher Entscheidungsträger. Neue Planungskultur bedeutet: Mut zur Entscheidung.

 

Scheuet Euch nicht, voranzuschreiten, wenn Ungewohntes Euch zu hindern droht. Prüfet die Absicht, prüfet das Ziel, prüfet das Wohl derer, für die den Weg Ihr bereitet.

 

Die Anzahl der Änderungen während der Planungsphase ist ein Indiz für die Bestellqualität.

 

Jedwedes Planen, jedwedes Bauen infolge, verletzt Bekanntes, irritiert Gewohntes. Ihr werdet den Zustand unberührter Wiesen, karger Berge, bestehender Gemäuer verletzen. Eine Narbe wird sich bilden, doch sie wird ein neues Ganzes bilden, so Ihr Sorgfalt walten lieset.

 

Auch Euer Werk wird Veränderung erleben, durch Zeit, durch Krieg, durch Neues. Nehmet an die Veränderung und schauet nach vor. Hin und wieder haltet inne und schauet zurück, auf dass Euer Blick nach vor ein klarer wird. Doch erblindet nicht im Anblick all des gut Bekannten, das wir schon zu lieben lernten.

 

Faire und präzise formulierte Auslobungen sind die Grundlage für herausragende Architektur

 

Planungskultur folgt Gesprächskultur

 

Planung und Kontrolle am Bau sollen immer durch fachkundige Personen oder Firmen erfolgen, die von den Ausführenden unabhängig sind. Vulgo: Nicht den Bock zum Gärtner machen.

 

Planungskultur ist direkt proportional zur Kultur der Besteller_innen, egal ob man die nun Investor, Bauträger, Genossenschaft, Baugruppe oder was immer nennt.

 

Ein Besteller mit Kompetenz, der gesellschaftliche Verantwortung übernimmt ist die Basis für eine zukunftsfähige Planungskultur.

 

In Wahrheit geht es natürlich um Kultur, d.h. um eine über viele Jahre eingeübte, praktizierte und evaluierte gesellschaftliche Praxis der Wertschätzung geleitet von einer tragfähigen Vision wie wir denn eigentlich alle so halbwegs gut leben könnten.

 

Jetzt: Fortschreiten der Verrechtlichung als Blockade für gute Lösungen. Neue Planungskultur bedeutet: den Zwang alles regulieren zu müssen aufgeben. Mut zur Lücke.

 

Planer_innen und Besteller_innen müssen jeweils ihre Projektziele klar und reell artikulieren und schauen ob da überhaupt ein Konsent zu finden ist und im Zweifelsfall die Zusammenarbeit gar nicht erst beginnen.

 

Jetzt: sich widersprechende Anlassgesetzgebung und Ratlosigkeit bei deren Interpretation. Neue Planungskultur bedeutet: Formulierung von eindeutigen, klaren Guidelines.

 

Die NutzerInnen unbedingt in die (Vor)Planung mit einbeziehen!

 

Planungsstrukturen, -prozesse und -methoden sollen sowohl aus normativen Zielvorgaben als auch aus der zeitgenössischen sozialen, politischen, kulturellen, ökonomischen Situation heraus entwickelt werden, nicht allein aus Ersterem.

 

Bei Planungskultur geht es um Kultur, d.h. unter anderem um Denk- und Handlungsweisen, um Verständnis seiner selbst und seiner Umwelt, um Bedeutungen von Objekten und Ideen. Deshalb setzt eine entwickelte Planungskultur in einer demokratischen Gesellschaft voraus, dass die breite Öffentlichkeit ein Bewusstsein von der Bedeutung von Planung besitzt. Das ist nur möglich, wenn sie Planung als öffentliche Aufgabe versteht.

 

Planungskultur ist für mich eine Frage der Haltung. Denn es braucht nicht nur eine gute Vorbereitung und vorbehaltslose Klärung der Aufgabenstellung, sondern auch die Einbeziehung aller Beteiligten und qualifizierter Expert*innen – mit der Offenheit, sich auf neue ggf. unkonventionelle Lösungen einzulassen.

 

Im Sinne einer „umfassenden Nachhaltigkeit“ braucht es auch einen wertschätzenden Umgang miteinander und mit den vorhandenen Ressourcen – auf Augenhöhe und eingedenk der Verantwortung, die wir alle und insbesondere als Planer*innen für zukünftige Generationen haben. Damit eine Win-Win Situation entstehen und ein lebenswerter Beitrag für unsere (gebaute) Umwelt geleistet werden kann.

 

Landschaftsarchitektur ist die Disziplin der Zukunft!

 

Planungskultur ist, die Kompetenz des/der Anderen ernst zu nehmen.

 

Die Planungskultur setzt einen  verantwortungs- und respektvollen Umgang der (öffentlichen) Bauherren mit ihren planenden Projektpartnern und faire Vertragsbedingungen voraus.

 

Es gibt nicht DIE Planungskultur, sondern eine Vielfalt von lokalen Planungskulturen, die sich durch unterschiedliche rechtliche Rahmenbedingungen, verschiedene räumliche und soziale Kontexte und kulturellen Haltungen manifestieren. Insofern kann man meiner Meinung nach nur von spezifischen Planungskulturen sprechen, aber keine allumfassende These formulieren.

 

Kultur ist ein Zugang zur Wirklichkeit, der freiwillig erbracht wird. Dieser kann nicht erzwungen oder verhandelt werden. Kultur kommt in Unternehmen vom Unternehmensinhaber. In Planungsprozessen bestimmt die Kultur derjenige, der mehr (Ver)Handlungsspielraum hat: der vermeintlich Stärkere.

 

Kultur ist eine geschichtliche Leistung, die nicht geplant werden kann. Sie muss immer neu geübt werden. Fehler inklusive. Sie ist immer im Fluss. Gilt auch für Planungskultur.